Das Bergdorf Ushguli und der Gletscher

 

Ankunft in Ushguli, 17. September

Das Bergdorf Ushguli, nicht weit von Mestia, wickelt uns sofort mit dem unnachahmlichen Charme eines urigen Bergdorfes ein. Es ist (noch) ein wahrer Geheimtipp, so scheint es uns. Ein Bergdorf weitab jeglicher Zivilisation, erreichbar nur über eine unausgebaute Schotterstraße entlang des Gebirgsbaches Enguri.

 

 

Ushguli ist eine Gemeinschaft aus vier kleinen Dörfern in der Schlucht des Enguri Flusses in Ober-Swanetien. Der Ort liegt auf 2.100 Metern Höhe und ist fast 6 Monate im Jahr von einer mindestens 1,5 Meter hohen Schneedecke bedeckt und damit oft von der restlichen Welt abgeschnitten, selbst die Straße nach Mestia ist dann oft nicht befahrbar.

 

 

Im Ort leben nur 70-80 Familien, ca. 250 Menschen. Und viele Kühe, Schafe, Ziegen, Enten, Gänse Hunde und Pferde. Gegen 18 Uhr sind die matschigen Gassen des Ortes voll von kleinen Kuhherden, die nach und nach ihren Weg zurück zu ihren Ställen finden.

Der Ort besteht aus vielen sehr alten Bauernhäusern, die im typisch georgischen Stil quadratisch gebaut sind. Viele Gebäude haben einen Wehrturm. In diesem haben sich die Georgier in unruhigen Zeiten verschanzt, die Leitern hochgezogen und gehofft, dass die feindlichen Völker ihr Land bald wieder verlassen. Die Wehrtürme sind tatsächlich UNESCO-Welterbe.

 

 

Wir kommen gegen 14 Uhr in Ushguli an, beziehen unsere Unterkunft (dazu mehr weiter unten in diesem Beitrag) und gehen durch die Gassen zu einer kleinen Gaststätte mit einer fantastischen Panoramaterasse mit Blick auf das Tal.

 

 

Innen im Restaurant steht ein großer selbstgeschnitzter Stuhl – fast wie ein Thron. In Buche geschnitzt, mit sehr viel Liebe zum Detail. Ein weiterer Beweis dafür, dass die Bevölkerung im Winter sehr viel Zeit totzuschlagen hat.

 

 

Während wir auf der Terrasse die Aussicht genießen, sitzen unsere Guides im Restaurant und trinken mit dem Dorfältesten, der auch der Koch in diesem Restaurant ist, Weißwein gläserweise. Als ich zufällig kurz in die Nähe kam, wurde ich ebenfalls aufgefordert, ein ganzes Glas in einem Zug zu leeren. So macht man das hier, wenn man anstößt: keine halben Gläser!

Das Dorf fasziniert uns von der ersten Minute an. Die alten Berghütten, das Vieh auf den Wegen. Wir sehen einen „Cowboy“ seine Pferde satteln. Die Kühe werden von den Bauern teilweise zu Pferde von den Weideflächen auf den anliegenden Bergflächen zurück in den Ort getrieben. Ein kleines, altes Mütterchen treibt mit einer unglaublichen Autorität und einem langen Stock doppelt so hohe Kühe vor sich her durchs Dorf. Ein anderes Mütterchen melkt irgendwo auf einem Dorfweg mit der Hand und einem Eimer eine Kuh, die nicht in den Stall kommen will. Uralte Lastwagen bringen voll beladen Heu ins Dorf.

 

 

Bislang sehen wir in Ushguli nur Backpacker. Andere Touristen scheinen diesen Ort noch nicht entdeckt zu haben, was sich in den nächsten Jahren ändern könnte. Wodurch sich auch der Ort verändern wird. Der übliche Ablauf, das habe ich schon anderswo beobachtet.

Die meisten Backpacker übernachten in diesem Ort, um von hier aus in Ruhe die 9-10 Kilometer zum Gletscher und zurück zu wandern. Eine Tour, die wir auch machen, allerdings nicht ganz wie die Backpacker. Wir sind vermutlich die ersten „Pauschal“-Touristen. Ich denke, dass hier selten jemand herkommt, der sich im Auto den halben Weg zum Gletscher fahren lässt.

 

 

Die Unterkunft

Das Guesthouse in Ushguli ist vergleichbar mit einem Bed&Breakfast, nur noch ein wenig rustikaler. Wir schlafen in den Räumen der Gastgeberfamilie. Die ziehen für die Zeit, in der Gäste anwesend sind, in eine kleine Hütte nebenan – in der sie vermutlich früher sowieso gewohnt haben. Auf dem Bild ist es das graue Haus auf der rechten Seite.

 

 

Die Schränke sind voll von den Klamotten der Familie, in meinem Zimmer liegen überall Plüschtiere. Das Haus ist neu gebaut, eines der wenigen ersten Zeichen eines beginnenden Ansturms von Touristen, der dieses Bergdorf in den nächsten Jahren zu überrollen droht. Das wird gut für die Bewohner sein, aber den Charme des Ortes nachhaltig negativ verändern. Wir sind froh, das Dorf in einem Zustand zu sehen, der dem eines ursprünglichen Bergdorfes noch relativ nahe kommt.

 

Die Zimmer im Haus sind zweckmäßig, haben aber kein eigenes Bad. Zwei Bäder auf dem Gang müssen ausreichen für ca. 5-6 Gästezimmer. Die Wände zwischen den Zimmern sind lediglich dünne Holzbretter. Teilweise haben die Zimmer oben in der Wand Öffnungen zum Gang oder zu den anderen Zimmern. Mein Zimmer hatte zum Beispiel Öffnungen zum benachbarten Zimmer. Das führte dazu, dass ich die zweite Nacht den Wecker, die Gespräche und das Deckenlicht aus dem Nachbarzimmer genießen durfte. Man hätte die Wand auch weglassen können. Man hört sogar das Geraschel der Bettdecke, wenn sich jemand bewegt.

 

 

Besuch des Gletschers bei Ushguli, 18. September

Heute wandern wir zum Gletscher bei Ushguli, einer Hauptattraktionen dieser Bergschlucht.

 

 

Der Weg zum Gletscher führt 9 Kilometer lang über unwegsames Gelände mit  Sandpisten, Schotterwegen, kreuzt das Flussbett mehrfach in tiefen Furten und ist für Spaziergänger wie uns, die wir als Gruppe keine längeren Wanderungen gewohnt sind, oder machen wollen, einfach zu weit. Unser Guide organisiert einen Fahrer, der die Strecke gut kennt und wir fahren mit einem Mitsubishi Delico (die gibt es hier sehr häufig) die ersten 6-7 Kilometer auf diesem abenteuerlichen Weg. Immer entlang des reißenden Enguri Bachs, der aus dem Gletscher entspringt.

 

 

Unterwegs sehen wir auf einer Anhöhe ein malerisches altes Kloster, ebenfalls mit einem Wehrturm:

 

 

Ab einem gewissen Punkt müssen wir zu Fuß weitergehen. Wir kraxeln über viel Geröll weiter nach Nordosten zum Gletscher. Das Geröll zeigt, wie breit das Flussbett sein kann, wenn hier richtig Wasser runterkommt. Es ist schwer, darauf schnell voranzukommen.

 

 

Einige Zeit lang können wir auf einem Weg parallel zum Flussbett laufen, die letzten 200-300 Meter zum Gletscher führen jedoch nur noch über Geröll. Hier haben viele vor uns den besten Weg durch die Gerölllandschaft mit übereinander gestapelten Steinen gekennzeichnet.

 

 

Die Ausläufer des Gletschers sind beeindruckend. Eine dreckige Eismasse, aus dem Gletschertor rauscht enorm viel subglaziales Schmelzwasser heraus, dass den Bach speist, an dem wir entlang gelaufen sind. Gelegentlich brechen am oberen Ende der Gletscherzunge große und kleine Felsbrocken ab und kullern die schräge Eismasse hinab.

 

 

An einer ungefährlichen Stelle kraxele ich bis zum Gletscher vor und versuche ein wenig von der Eismasse abzubrechen, was mir nicht gelingt, da das Eis trotz Sonneneinstrahlung sehr hart ist.

Zurück in Ushguli erleben wir in der Gaststätte mit der Panoramaterrasse noch eine lustige Episode. Aus der Gaststätte tauchen zwei betrunkene Amerikaner auf: ein Texaner und einer mit Rastalocken, der eine teure Canon Spiegelreflexkamera in der Hand hält. Der Texaner schaut zu den Bergkuppen nach Westen flucht laut. Anscheinend wollten sie den Sonnenuntergang filmen, haben aber beim Saufen mit der Dorfbevölkerung in der dunklen Gaststube nicht gemerkt, wie viel Uhr es ist. Unverrichteter Dinge und weiterhin in breitestem Texanisch fluchend steigen die beiden in ihren Jeep und rauschen ab.

 

 

 

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4 Kommentare zu „Das Bergdorf Ushguli und der Gletscher“

  • Fredo:

    Toll, da wäre ich gern dabei gewesen

  • Vielen Dank für den Bericht und die tollen Fotos!

  • Danke für den Bericht !
    Ich war im 2014 dort und diesen September, nach Azerbaijan nochmals, dieses mal mit Gletscher-Besuch 😉

    LG
    Peter

  • Tina:

    Ich liebe solche kleinen Dörfer und den Kontakt mit den dort lebenden Menschen einfach. Das ist eine wundervolle Inspiration mit fantastischen Bildern.
    Danke für diesen Reisetipp, der sofort auf meine (leider immer länger werdende) Liste kommt.
    LG
    Tina

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